Von einem Auto, das keinen Mucks mehr macht, unglaublichen Engeln und Halsknödelmomenten, die ganz tief in den Bauch gehen!

Wenn ich so jetzt hinterher über diesen Tag nachdenke, denke ich, "das kannst du keinem erzählen, weil das glaubt dir keiner! Ich glaube es selbst nicht!!!" - Noch immer nicht und dabei war ich ja dabei!

 

Beim Aufstehen war alles soweit gut - naja, zumindest halbwegs. Thomas ist gestern mit Freunden zum Wandern gefahren und wenn der neben mir nicht schnarcht, habe ich ein bisschen Probleme damit selbst zu schlafen. Aber das kenne ich und ist gar nicht schlimm. Ich brauche nur einen Moment läger, um in die Pötte zu kommen und werde nicht ganz rechtzeitig fertig, was aber auch nicht schlimm ist, weil ich, auch wen ich 30 min. früher starten würde, mich durch die Menschen wuseln und rückwärts zwischen Bio- und Gemüse einparken müsste - eine echte Herausforderung, vor der ich aber inzwischen nicht mehr ganz so Panik schiebe, zumal Biogemüse mich immer sehr nett einwinkt.

 

Jedenfalls schleppe ich etwas spät, aber noch ganz gut im zeitlichen Rahmen, meine Kiste mit aufgefüllten Behältern, gespülten Gläsern für Kunden, meiner Teeflasche und einem Becher Kaffee ins Auto, gucke an mir hinunster und lasse einen kleinen Fluch durch meine Hirnwindungen ziehen: Ich plöde Kuh hab den Kaffeebecher nicht richtig verschlossen und das, was nicht in einer dicken Spur aus dem Flur in den Wagen gelandet ist, landete auf meinen Klamotten. Na gut, es ist ja Sommer (gestern bin ich bei den Nachrichten voll erschrocken, weil Waghäusel als drittheißester Ort Deutschlands erwähnt wurde) und der Akt des Kleiderwechsels keine zeitraubede Angelegeheit.

 

Kaffeefleckenfrei schließe ich die Haustüre ab, setze mich ans Lenkrad, stecke den Schlüssel ins Schloss, löse schon mal die Handbremse, drehe den Schlüssel und ....

 

Nix. Rein gar nix. Es macht "klick - klick", wenn der Schlüssel den Zylinder dreht, aber sonst ...

 

Nix. Rein gar nix. Der Motor hustet mir noch nicht einmal mehr was! Er versucht auch noch nicht einmal mehr auch nur ansatzweise nach Luft zu gurgeln oder sich irgendwie sonst zu rühren. Er macht einfach

 

nix. Rein gar nix.

 

"Oooooookayyy", denke ich, "jetzt hab ich ... ein paar Probleme":

 

1. Ich komme nicht weg. - Daran muss ich noch arbeiten.

 

2. Das muss der Wochenmarkt in Bruchsal wissen. - Ich poste mein Ungemach in Instagram, wohl wissend, dass Gemüse meine Posts alle liest ... wenn sie Zeit dafür haben, was um diese Zeit eher weniger wahrscheinlich ist. Aber mehr Möglichkeiten habe ich gerade nicht.

 

3. Thomas hockt irgendwo in den Alpen und hat sein Handy so gestellt, dass ich ihn nicht anrufen kann. Eine Whatsapp muss reichen, aber wann er die liest und reagiert .... - Das Problem muss die Zeit lösen und wehe, sie beeilt sich nicht dabei!

 

4. Külwalda (so heißt mein Transporter seit ich schon bei meiner allerersten Klappenöffnung Probleme mit der Elektrik hatte, da allerdings nur im Verkaufsraurm) steht in der Garagenauffahrt und helfen kann mir eigentlich nur mein Nachbar, dessen Auto unmittelbar daneben steht.

 

5. Es ist noch vor 6 Uhr samstags morgens, da reicht selbst meine Unverschämtheit nicht aus, bei ihm zu klingeln. - Also abwarten, bis er aus dem Haus kommt.

 

Ich setze mich auf die Treppe vor der Tür und warte. Plötzlich deke ich, dass das vielleicht nicht gerade der beste Platz ist, weil Külwalda mir die Sicht auf des Nachbarn Eingangstür versperrt. Also stehe ich auf, wundere mich einen Moment, weil sich mein Gesäß so nass anfühlt, gucke an mir herunter, gucke auf die Kaffeebesudelte Treppe ... und ziehe mich ein zweites Mal um.

 

Irgendwann öffnet sich endlich die Nachbartür und Nachbar mit Hund verlässt das Haus, sieht mich auf dem Fußtritt von Külwalda sitzen (ich hatte ihn vor dem Platznehmen von Kaffeesabber gereinigt. Hallo!!! Ich bin ja nicht doof!), guckt verwirrt und fragt, ob alles gut sei.

 

So, dazu muss ich jetzt etwas sagen: Es gibt da so zwei Häuser in unserer Nachbarschaft, die .... machen, dass man all die anderen Häuser nicht für selbstverständlich nimmt, sondern wertzuschätzen weiß (immer nur Champagner und Kaviar ist irgendwann auch wie Wasser und Brot). Aber diese eben anderen Häuser sind einfach nur unfassbar lieb und ich bin von ganz tief unten von Herzen dankbar, dass ich hier wohnen darf.

 

"Springt er nicht an."

"Nein, er macht keinen Mucks mehr."

Hund wird zwecks Fristung eines abwartenden Daseins am Treppengeländer angebunden.

"Mach mal die Motorhaube auf."

Mach mal die Motorhaube auf? Und wie? Ich komme ins Schwitzen, kriege das aber hin. Derweil wuselt Nachbar in seiner Garage herum und sucht sein Überbrückungskabel. Dann der Blick in den Motorraum.

"Des heb ich mir schnon gedenkt." - Hört sich nicht so gut an. "Weißt du, wo deine Batterie ist?"

"Hier irgendwo?"

"Nein, hier ist nur eine Starthilfe."

"Ooooookayyyyy." - Ich habe keine Ahnung, wo die Batterie ist!

"Gib mir mal dein Betriebshandbuch."

Betriebshandbuch? Hab ich so was überhaupt und wenn ja, wo? Ich suche ... vergeblich. - Hallo! Ich kann das Ding tanken und fahren, mehr muss ich nicht wissen!

"Lass mal, vielleicht kriegen wir das so hin. Pluspol a Pluspol, mit dem Minuspol Masse herstellen .... Lass mal an."

Er überbrückt von seinem Wagen (da ist die Batterie hinten unten im Kofferraum, das hab ich ja noch nie gesehen! Eine Batterie gehört nach vorne, wo jeder weiß, wo er sie finden kann!), ich steige ein, drehe ....

Nix.

"Vielleicht brauchen wir mehr Masse." Er fummelt noch ein bisschen, ich drehe ...

Nix.

Wir gucken uns gegenseitig an und sind nun beide ziemlich ratlos - also ich, weil ich ja noch nicht einmal weiß, wo meine Batterie oder das Bedienhandbuch ist, und er, weil sogar er (und ich meine das mit dem "sogar" wirklich, denn Nachbar ist ein Schrauber und weiß auf alles, was Fahrzeuge angeht, eine Lösung) im Moment keine Idee mehr hat.

 

Hm.

 

Nächste Option: anderer Nachbar. Ich schicke eine Whatsapp. Auch wenn er mir nicht helfen kann, kennt der bestimmt jemanden, der es kann. Er kennt im Umkreis von 10 km jeden!

Ich habe keine Hoffung, da so bald Antwort zu bekommen. Hatte ich schon erwähnt dass es Samstag ist, jetzt gerade irgendwo kurz nach 7.00 Uhr?

 

Das Telefon klingelt. Thomas ist dran und mit seiner fernmündlichen Hilfe finde ich Batterie (unter den Fahrerfüßen, wer kommt denn auf die Idee, die Batterie unter die Fahrerfüße zu packen?!!! Da findet sie doch kein Mensch!!! - Meine Lieben, mal ganz im Ernst: Ich bin fest davon überzeugt, dass sich das, dass eine Batterie nicht vorne unter der Motorhaube ist, nur ein Mann ausgedacht haben kann, der ein besonder ... patriarchalisches Verhältnis zu seinem dritten Bein hat, nur damit er sagen kann: Guck, die dussligen Weiber wissen noch nicht einmal, wo sich eine Batterie befindet. Eine Frau hätte sie nie im Leben unter die Fahrerfüße gepackt!) und Bedienungshandbuch ("Das liegt do da, wo es hingehört, im Handschuhfach." - "Ich bin doch nicht doof. Da habe ich zuerst reingeguckt." - "Nicht in dem, in dem anderen!" - Ich finde oben noch eine Klappe. Da ist ein Handschuhfach drunter! - "Nee, da auch nicht." - In dem großen!" - Es gibt noch ein Handschuhfach? - Tatsächlich! Naja, aber bitte, das ist so groß, das ist ja nun kein Handschuhfach mehr, sondern schon fast ... von mir bis dahin unentdeckter Stauraum. Und in dem befindet sich die Betriebsanleitung!)

 

Ich komme gar nicht dazu, "ha, da hab ich ja was gekonnt!" zu denken, da hält hinter Külwalda ein Auto. Nachbar 2, zwei Blicke, schon hat er sein Handy in der Hand, erzählt jemandem von meinem Problem und fragt nach einem zweiten Schlüssel. Ja, den hab ich uuuuund ich weiß, wo er ist. Wir probieren.

 

Nix.

 

Noch ein paar Worte am Handy die sich anhören wie eine Verabredung zu einem Glas Wein, dann drückt er seinen momentanen Gesprächspartner weg und wählt eine andere Nummer. Der erhoffte Gegenüber ist gerade Brötchen holen (es ist noch nicht einmal 8 Uhr! Was machen die denn alle schon so früh außerhalb ihres Bettes?!), kommt aber gleich wieder. Das reicht zu wissen und schon fährt Nachbar 2 in den Nachbarort, holt etwas, was so ähnlich wie Überbrückungskoffer heißt, und bringt damit auch ohne Überbrückungsauto Külwalda wieder zum Laufen.

 

Jaaaaa!!!!! Külwalda brummt!!!!!!

 

Während Nachbar 2 schon mit einer Werkstatt telefoniert, ob die denn auf ist und gerade einen Moment Zeit hat, kommt Nachbar 1 mit dem Hund aus dem Wald zurück. Es gibt einen Austausch unter Männern, der mir Zeit gibt, meine Nase zu putzen. Das was die da reden ... Ich verstehe kein Wort! Muss ich auch nicht.

 

Wenn man Engel hat, braucht man selbst keine eigenen Flügel!

 

Werkstatt ist da und steht schon bereit, als wir auf den Hof rollen.

"Erste Frage: Warum?"

"Weil er nicht angesprungen ist?!"

"Warum ist er nicht angesprungen?"

"Weil die Batterie leer war?!"

"Jetzt kommen wir wieder zur ersten und eigentlichen Frage: Warum war die Batterie leer?"

- Oh Mann, manchmal schäme ich mich für mich selbst! Um mich gnadenlos zu blamieren brauche ich keinen Mann mit patriarchalem Verhälnis zu seinem dritten Bein, der die Batterie unter den Fahrerfüßen versteckt, um mich doof dastehen zu lassen; ich kann das ganz allein und noch sehr viel besser! -

"Ich habe keine Ahnung. Ich hab nix anders gemacht als sonst: Auto hingestellt, ausgemacht, abgeschlossen, gegangen."

 

"Zweite Frage: Wann brauchst du das Auto?"

- Diese Frage verstehe sogar ich! Hallo! Ich bin doch nicht doof!!!! -

"Heute morgen um 6.30 Uhr."

Aus seinen Augen funkeln Ausrufezeichen wie Blitze!

"Frag doch nicht! Ich wollte gerade nach Bruchsal zum Markt, aber das spielt doch gerade gar keine Rolle: Du brauchst, so lange du brauchst. Ich fahr nach Bruchsal, stelle mich hin und verteile Flyer, kein Problem."

 

Derweil kommt ein Mitarbeiter bereits mit einem Werkstattwagen angescheppert, zwei untersuchende Augenpaare, drei Worte, beide verschwinden. Ich habe keine Ahnung, was die vorhaben, habe nur gerade gaz dringend den Wunsch, mich aus der Situation herauszunehmen und ihnen rotzfrech die Verantwortung für die Lösung meines Problems in die Schuhe zu schieben. Ich kann doch auch nichts, rein gar nichts dazutun! Ich wusste ja noch nicht einmal, wo die Batterie ist!

 

Sie schleppen eine Batterie an und weihen mich in ihren Plan ein:

"Jetzt bauen wir erst einmal eine andere Batterie ein, damit du vom Acker kommst. Die andere laden wir übers Wochenende durch und gucken, ob sie noch geht. Wenn nicht, müssen wir eine Neue bestellen, aber jetzt gucken wir erst mal. Dann kommsch Mondaach oder Diensdaach widder un do schau'n mer mo, ob's dud." (Übersetzung: Dann kommst du am Montag oder Dienstag wieder und wir sehen, ob es funzt. - Ich finde es immer total klasse, wenn die Menschen hier sich Mühe geben so zu sprechen, dass auch ich Nichthiesige es verstehe. Früher oder später fallen sie IMMER zurück in ihren Dialekt, das geht gar nicht anders, aber ich wohne ja nun auch schon lange genug hier, dass ich weiß, dass man sich hier mit einem "Debbich" (Übersetzung: eigentlich Teppich, uneigentlich Decke) zudeckt.)

Weil die Jungs ja jetzt eh nur noch Augen für meine Batterie haben, lasse ich die meinen ein bisschen schweifen und ... finde ein passendes Ersatzfahrzeug. Naja gut, es ist vielleicht ein bisschen klein und es könnte Probleme mit der Unterbringung der Bins (Zapfbehälter) geben, aber so, wie die Jungs hier drauf sind, kriegen die das am Ende so hin, dass ich gut und gerne noch 50 Produkte mehr in den alten Opel kriege als in Külwalda!

 

Ganz nebenbei wird noch ein anderer Fehler (hat etwas mit Diesel und Abgas und Frischlluft und Ventil zu tun, aber fragt mich bitte nicht!) ausgelesen und "do musch nix mache" gelöscht, dann darf und kann - ICH KANN!!!! - ich vom Hof juckeln!!!!

 

Ich brauche dringend mehr Taschentücher in Külwalda! Die kriege ich auch kinderleicht unter, weil ich hab ja DREI Handschuhfächer!!!! Das hätte ich früher wissen müssen, dann bräuchte ich jetzt nicht ständig unappetitlich laut die Nase hochzuziehen. Gut, dass mich niemand hört.

 

 

Mit drei Stunden Verspätung, aber völlig ungehofft und schon mal so was von gar nicht vermutet, winkt mich Bio-Gemüse in meine Standbucht und ich öffne die Klappe!!!!! Unfassbar!!!!!

 

Und die Begrüßung solltet ihr hören:

 

"Guten Morgen, Andrea, hast du auch endlich ausgeschlafen?!" -

Ich liebe meine Marktnachbarn einfach!!!!!

 

 

 

 

 

Wenn ihr jetzt denkt, dass meine Aufregungen dieses Tages damit zu Ende weil mehr als genug sein, kann ich nur sagen: Mitnichten!!!!

Die Klappe ist noch nicht richtig oben, stehen die ersten Kunden davor und strahlen mich an. "Wir waren heute morgen schon mal da und haben Sie vermisst!"

 

Bald darauf kommt eine Kundin. Nein, sie kauft heute nichts bei mir ein, denn sie fährt in Urlaub. Aber sie wollte mir ganz dringend noch ein Badesalz für meine Füße und Energiekugeln bringen.

 

Meine Lieben, bis dahin war ich ... relativ gefasst. Gut, so ein bisschen schwabbten mir schon in der Werkstatt die Augen über, aber nur ein bisschen und nur so, dass es nur Nachbar 2 mitgekriegt hat und der weiß eh, dass ich zuweilen ein bisschen tröpfelnd aus der Wäsche lunse. Aber jetzt gerade ....

 

So geht das irgendwie die ganzen restlichen drei Stunden des Wochenmarktes weiter. Fragt nicht! Dabei geht mir erst ein Licht auf, als ich die Klappe schon wieder geschlossen habe und ein Ehepaar mir ganz dringend noch Gläser bringt. Neinnein, alles gut, ich brauche nicht noch einmal zu öffnen, sie kaufen einfach nächste Woche erst ein, aber sie waren in der Früh schon einmal da und haben einen Riesenschreck bekommen, weil ich nicht da war, und hatten befürchtet, weil doch heute ein neuer Monat ist - so weit habe ich gar nicht gedacht!!!! ... also davon mal abgesehen, dass ich bis eben gerade keinen Gedanken daran verschwendet habe, dass heute der 1. August ist - dass ich gar nicht mehr nach Bruchsal käme.

 

Hatte ich schon erwähnt, dass ich dringend mehr Taschentücher in Külwalda brauche?

 

Meine Lieben, zuweilen werde ich gefragt, ob sich das, was ich da tue, überhaupt rentiert. Bisher habe ich immer geatwortet, dass es mir mit meinem Wagen ja nicht so ganz dringend um Geld geht, sondern dass ich einfach meinen Teil für einen pfleglichen Umgang mit unserer Erde beitragen möchte. Heute sehe ich das anders:

 

Wenn ich mir ansehe, wie dieser Tag angefangen hat und was daraus geworden ist - nein, das kann man mit allem Geld der Welt nicht kaufen! Ich habe in der Früh ziemlich blöd aus der dritten Wäsche geguckt, aber ich hatte unglaubliche Meschen, die mir so selbstverständlich und so unfassbar lieb wieder auf die Füße geholfen haben. Und ich habe Menschen, die zu meinem Wagen kommen und das, was ich tue, wertschätzen.

 

Wenn man da nicht solche Halsknödel kriegt, dass einem die steckengbleibende Luft gewisse Körperflüssigkeiten so nach oben drückt, dass sie dort irgendwie aus dem Körper heraus müssen, dann weiß ich nicht!